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a castle made of idividual biscuits
Harald Henn3 min read

Die Welt digitalisiert ihre Contact Center – Deutschland baut Burgen

Im frühen Mittelalter waren Burgen die Lösung für räuberische Überfälle. Sie boten den Bewohnern Schutz und Zuflucht. Mit der Erfindung neuer Waffen  - Kanonen –  war es mit den Burgen vorbei. Auch in späteren Zeiten haben sich Mauern und Schutzwälle immer als kostspielig und schnell überholt entpuppt. Gerade in Deutschland scheint es jedoch eine ungebrochene Liebe zu Burgen zu geben. Sie erleben zum Teil ein fröhliches Comeback in unserer Gesellschaft. Auch in Contact Centern, die ja eigentlich als ein Hort des Fortschritts gelten sollten. Stichwort Fachkräftemangel.  Ja, die Contact Center haben hier ein großes Problem. Der Markt ist leergefegt und die Situation wird sich so schnell nicht wieder ändern. Alle Kräfte in unserer Gesellschaft sollten also  bemüht sein, das Problem mit allen Kräften anzupacken. Wie sieht die Realität aus? Da will ein Unternehmer zwei junge Menschen ausbilden und Ihnen zu einem Berufsabschluss verhelfen. Solche Berufsabschlüsse z.B. Dialogkaufmann IHK sind für Contact Center Mitarbeiter eine gute Grundlage für ihr späteres berufliches Leben. In unserem Beispiel hat der Unternehmer in Corona Zeiten eine neue Organisations-Struktur gewählt und umgesetzt. Die Mitarbeiter können auch von zuhause, von weiter gelegenen Orten, aus arbeiten. Die beiden jungen Auszubildenden, haben sich allerdings zu früh gefreut. Mit der Ausbildung und dem IHK Abschluss wird es nichts, weil die IHK nur eine Ausbildung vor Ort – also am Firmensitz - akzeptiert. Unsere beiden Auszubildenden wohnen aber nicht am Ort, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat. Wir schreiben das Jahr 2023, beklagen einen massiven Fachkräftemangel und dann das. Ich bezeichne das mal diplomatisch als Burgenbau. Wobei ich – kleine Randbemerkung – mit den IHK´s eh auf Kriegsfuss stehe. Eine Organisation mit Zwangsmitgliedschaft ist ein Relikt aus dem Mittelalter als es Zünfte gab.  Und damit passt es dann auch prima zur Feststellung, dass eine Ausbildung vor Ort stattfinden muss. Diese kleine Geschichte – leider wahr – ist symptomatisch für Deutschland. „Der Fachkräftemangel ist ein ganz wichtiges Thema; aber ich will mich nicht verändern“.

Digitale Verstocktheit wohin man schaut 

Es gibt noch weitere fleissige Burgenbauer. Einige Unternehmen sind schlicht nicht mehr erreichbar und haben die Telefonnummern ihrer Mitarbeiter „vom Markt genommen“. Eine Mitarbeiterin der Telefonzentrale teilt mir freundlich mit, dass es keine Durchwahlnummern gibt, keine Handynummern und wenn doch, wird sie mir diese nicht mitteilen. Ich möge doch der betreffenden Person ein email schreiben. Der Paketversender, der früher ein Contact Center betrieb, hat jetzt Sprachansagen für die Standard Geschäftsvorfälle. Sendungsnummer eingeben und dann gibt es den Status: Abgeliefert. In diesem Fall wurde das Paket nicht abgeliefert und der Status ist falsch. „Für weitere Fragen schauen Sie gerne auf unserer Webseite nach“. Dieser Fall ist aber nicht vorgesehen. Und für diesen nicht vorgesehenen Fall gibt es auch kein Contact Center. Sozusagen ein Wassergraben um die Burg. Alles keine Einzelbeispiele. 
 
Wir haben keine Willkommenskultur für AI in Deutschland
 
Jetzt könnte man glauben, dass die Deutschen stattdessen AI, Chatbots und chatgpt entdeckt haben um die Service Misere im Contact Center durch Automatisierung abzumildern oder sogar zu beseitigen. Nein, weit gefehlt. „Digitalisierung ist DAS Zukunftsthema“,  tönt es unisono aus Verbänden, der Politik, den Unternehmen, den Netzbetreibern, den Kommunen und wem auch immer. Und während der Sonntagsreden haben sich die Burgbesatzungen in den Unternehmen – Rückwärtsgewandte in der Rüstung von Datenschützern, „Das haben wir schon immer so gemacht-Ritter“, „Das muss erst noch mal neu und richtig durchdacht werden-Landsknechte“ ,..  – mit allem was sie haben, gewappnet. Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir vor allem ein Problem mit unserer Einstellung neuen Technologien gegenüber. Wir verhindern den Fortschritt und bitte nicht „wir haben den Fortschritt verschlafen“. Verschlafen heisst ja, man hat etwas nicht bewusst mitbekommen. Wir haben die Digitalisierung sehr wohl und sehr bewusst mitbekommen aber wir wollen nicht. Und das wird einigen Contact Centern sehr übel auf die Füße fallen. Selbst die, die wollen, müssen dann feststellen, dass sie nicht können. Weil es keinen Breitbandanschluss für den Weltmarktführer für Maschinenprodukte im Hunsrück gibt, weil wir in der Ausbildung die Themen Informatik, AI nicht oder nicht gut genug vermitteln und dann keine Fachkräfte finden, die im Contact Center eine Augmented Reality Lösung als Angebot für den remote Customer Service aufbauen und betreiben können. 

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Harald Henn

... ist Partner des i-CEM und konzipiert und optimiert Customer Experience, Digital Customer Service Projekte und optimiert Call Center auf der Basis von mehr als 20 jähriger Projekterfahrung. Zusammen mit Prof. Nils Hafner, Hochschule Luzern hat er den CEX Management Trendradar entwickelt. Er ist Herausgeber mehrerer ebooks zum Thema Chatbots und AI im Customer Service, Digital Customer Service und Contact Center.

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