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Roland Ruf6 Minuten Lesezeit

6 Argumente gegen eine Cloud-Lösung im Contact Center

Immer wieder erscheinen Artikel von Cloud-Herstellern, die Argumente für eine Cloud-Nutzung in Contact Centern liefern. Die vielen Vorteile sind also hinlänglich bekannt und nachvollziehbar. Eine Cloud-Lösung hat definitiv ihre Berechtigung. Dennoch Nachteile, die nicht unter den Teppich gekehrt werden sollten und derer man sich bewusst sein sollte, wenn man eine Cloud-Lösung einführt.

Deshalb beleuchte ich in diesem Artikel die typischen Argumente für eine Cloud-Lösung und sammele Argumente gegen die Nutzung der Cloud. Dabei wollen wir auf keinen Fall die Cloud generell verteufeln. Vor- und Nachteile sollten schlichtweg bekannt sein. Wenn Sie also wissen möchten, welche Lösung mehr Vor- als Nachteile bietet, lesen Sie weiter.

1. Cloud = kosteneffizient?

Cloud-Lösungen werden gerne als kosteneffiziente Lösungen angepriesen. Aber kein Unternehmen hat Geld zu verschenken, alle wollen Gewinn machen, also auch die Anbieter von Cloud-Lösungen. Deshalb sollten Sie eine Kostenkalkulation für verschiedene Szenarien (kurzfristig, mittelfristig, langfristig) erstellen und die Kosten ganzheitlich betrachten. Viele Unternehmen haben Produkte in der Regel für 10 Jahre im Betrieb, wenn das bei Ihnen auch der Fall ist, dann sollten Sie die Kosten nicht auf Basis eines 2 Jahres-Vertrags vergleichen.

In die Kostenkalkulation einer Cloud-Lösung müssen folgende Komponenten einfließen:

  • Hardware
  • Software-Lizenzen
  • Systembetrieb
  • Support
  • Software-Wartung (Entwicklung, Bugfixing)
  • Telefonie-Kosten

Das sind die grundsätzlichen Kosten, die in jeder Kostenkalkulation eines Cloud-Projekts berücksichtigt werden müssen. Zudem können weitere Kosten Projekt-abhängig entstehen.

Anbieter kalkulieren für ihre Cloud-Lösungen meist einen Preis, der dem Umsatz für Software-Verkauf und Betrieb/Wartung innerhalb von zwei bis drei Jahren entspricht. Diesen stellen sie dann in einer vereinfachten Preiskalkulation dar. Das spezialisierte Betriebsmodell des Anbieters mag auf den ersten Blick effizienter als ein Inhouse-Serverbetrieb sein, bei einer Laufzeit von vier bis fünf Jahren geht die Rechnung aber einfach nicht mehr auf.

Wo liegen dann noch die finanziellen Vorteile der Cloud? Meist bei kurzfristigen oder flexiblen Bezahlmodellen, etwa Pay-per-Use, wenn das Volumen nicht fest zugesagt werden muss. Von Verträgen mit fixem Lizenzvolumen ist eher abzuraten!

2. Cloud = unbegrenzt skalierbar?

Es wird gern von einer „unerschöpflichen Rechenleistung“ geschwärmt. Das gibt es aber so nicht. Eventuell lässt sich Rechenleistung leichter zubuchen, das hängt jedoch davon ab, welche Software-Architektur Sie als Kunde in der Cloud betreiben.

Zudem sollten Sie wissen, einfache Skalierbarkeit funktioniert nur selten bei Legacy-Software, die eigentlich für den „On-Premise“-Einsatz (Installation beim Kunden vor Ort) entwickelt wurde und nun in der Cloud installiert ist. Auch andere Parameter sind relevant: die Anzahl von Telefonleitungen, die geschaltet sind, der Speicherplatz für Sprachaufzeichnungen (der in der Cloud schnell als nachgelagerter Upsell zu weiteren Kosten führt) und die Umsysteme.

In einem der Projekte, die ich in diesem Zusammenhang betreute, waren bereits die notwenden API-Abfragen von 3.0000 Agenten an das marktführende Cloud-CRM-System der limitierende Faktor. Also, eine Skalierbarkeit funktioniert nur, wenn alle Systeme perfekt zusammenspielen.

3. Cloud = sicher?

Und der Datenschutz? Natürlich müssen Sie dem Anbieter beim Umgang mit Ihren geschäftskritischen Unternehmensdaten wie den Kontaktdaten Ihrer Kunden, vertrauen können.

Unternehmen sind verpflichtet, den Datenschutz sicherzustellen. Das sollten Sie insbesondere bei internationalen Anbietern hinterfragen und überprüfen.

Der EuGH hat am 16. Juli 2020 (ECLI:EU:C:2020:559) festgelegt, dass der „Verantwortliche (…), in jedem Einzelfall – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem Empfänger der Übermittlung – zu prüfen (hat), ob das Recht des Bestimmungsdrittlands nach Maßgabe des Unionsrechts einen angemessenen Schutz der (…) übermittelten personenbezogenen Daten gewährleistet (…)“.

Kurz, jedes Unternehmen muss sicherstellen, dass alle sensiblen Daten geschützt werden und das auch in den Ländern, in die die Daten transferiert werden. Sie sollten hier auf keinen Fall „das Prinzip Hoffnung“ anwenden und diese Prüfung nicht oder eher wohlwollend durchführen, denn im Ernstfall stehen 4% des Konzernumsatzes zur Disposition. Ernsthafter Prüfungsaufwand ist recht kosten- und ressourcenintensiv und auch nicht nebenher erledigt!

Zu den schützenswerten Daten gehören im Contact Center mindestens Rufnummern, E-Mail-Adressen, Kontakthistorie, Sprachaufzeichnung und selbstverständlich persönliche Daten wie Alter, oder Geschlecht. Bedenken Sie, dass Daten in einer Public Cloud bei vielen Herstellern auf den gleichen Servern liegen – ein attraktives und lohnendes Angriffsziel für Hacker.

4. Cloud = schnell in Betrieb?

Ebenfalls wird gerne behauptet, dass eine Cloud direkt einsatzbereit ist und schnell operativ betrieben werden kann. Mancher Cloud-Anbieter prahlt mit seiner Lösung als Tor zum Home Office und heiligem Gral der „Digitalisierung“. Was aber oftmals nicht beachtet wird ist, dass Automatisierung und Digitalisierung auf Daten basiert, und der Zugang zu den Daten gewährleistet sein muss. Ohne diese kann eine Lösung Ihre Mehrwerte nicht ausspielen.

Die meisten Kunden integrieren daher Ihre Umsysteme, wie CRM und Dokumenten-Management. Es sollte Ihnen bewusst sein, dass dies mit einer Cloud-Variante genauso lange dauert, wie bei der On-Premise-Variante, manchmal sogar länger, wenn der Cloud-Anbieter nur limitiert ans Firmennetzwerk angebunden ist. Das Legen einer notwendigen Telefon-Leitung kann ganze sechs Monate dauern, bis dahin müssen die Telefonkosten des Anbieters (natürlich mit Gewinnmarge) gezahlt werden.

5. Cloud = systemstabil?

Ein weit verbreiteter Mythos ist die bessere Systemstabilität durch eine Cloud. Wenn man vorher an den internen IT-Kosten gespart hat, kann ein spezialisierter Hersteller mit Experten einen Vorteil und damit eine deutliche Verbesserung der Systemstabilität bieten.

Doch wenn der Anbieter eine Stabilität angibt, dann bezieht sich das meist nur auf die internen Core-Systeme. Es wird also nur die systemeigene Verfügbarkeit angegeben. Eine Cloud-Lösung bringt aber neue Fehlerquellen ins Spiel wie zum Beispiel den Ausfall der Internetverbindung zwischen Agenten und der Cloud oder ganz banal, das Kind des Mitarbeiters, das gerade zur Hauptarbeitszeit ein Spiel runterlädt, welches die Sprachverbindung beeinflusst. Wenn wir die Ausfälle der Produktionsstunden der Mitarbeiter betrachten, so sind Cloud und On-Premise zumeist auf gleicher Ebene. Insgesamt scheint eine Cloud-Lösung weder viel besser, noch schlechter als eine On-Premise-Lösung

6. Cloud = unabhängig?

Fangen wir gleich mit einem Beispiel aus der Beratungs-Praxis an:

Ein großer, internationaler und erfahrener Hersteller liefert seit Jahren einem Großkunden eine langjährige Cloud Contact Center-Lösung für ca. 1.000 Agenten.

Der Service des Lieferanten hat sich jedoch dramatisch verschlechtert, mehrere Systemausfälle pro Monat, der Support hält nicht mehr mit, entgegen des Vertrages werden die Support-Leistungen jetzt vom Sublieferanten aus dem Ausland erbracht.

Der Kunde eskaliert den Fall beim Lieferanten und als Antwort kündigt dieser mit sechs Wochen Vorlaufzeit wie es im Vertrag festgehalten ist. Es handelt sich hier um ein vollintegriertes System, das über die Jahre gewachsen ist, mit verschlüsselter Datenkommunikation, speziell gelegten Telefonleitungen, VPN-Anbindung ins Kundennetzwerk, Schnittstelle zur eigenen IT-Landschaft. Eine solche Lösung lässt sich nicht innerhalb von sechs Wochen zu einem neuen Hersteller transferieren. Eine Katastrophe für den Kundenservice.

Über vertragliche Absprachen und Zulässigkeit der Kündigungsfrist mögen sich die Anwälte unterhalten. Im Betrieb sind Sie auf eine Lösung angewiesen, die es Ihnen ermöglicht, den Geschäftsbetrieb kontinuierlich aufrecht zu erhalten. Dadurch wären Sie kurzfristig gezwungen, sich auf jegliche Konditionen, die der Hersteller Ihnen aufzwingt, einverstanden zu erklären. Natürlich sitzen Sie mittel- und langfristig am längeren Hebel und der Hersteller auf Ihrer „schwarze Liste“. Die viel propagierte Flexibilität bezieht sich auf einen Zeitraum von Monaten und unabhängig sind beide Vertragspartner nicht wirklich.

Empfehlungen

Cloud-Lösungen funktionieren heute hervorragend und kann sich oftmals lohnen. Deshalb möchten wir Ihnen keinesfalls generell abraten, Sie sollten sich allerdings von „einfach, schnell und unabhängig“ verabschieden und ich hoffe, ich konnte Ihnen klar aufzeigen, welche Risiken es gibt.

Neuerungen lassen sich beispielsweise in der Cloud oft schneller ausrollen, als On-Premise und die flexiblen Modelle passen sich dem Geschäft an.

Folgende fünf Empfehlungen gebe ich Ihnen für Ihre nächste Entscheidung mit:

  • Planen Sie eine Langzeitstrategie: Wo stehen Sie in fünf Jahren, passt die Lösung dann noch?
    Kalkulieren und verhandeln Sie ein Modell, dass zu Ihrer Strategie passt.
  • Bewerten Sie den Integrationsaufwand VOR einem Vertragsabschluss
  • Vergleichen Sie Ihre Kosten und verhandeln Sie Vertragsstrafen. Hierbei sind insbesondere zukünftige Erweiterungen, für die ein bestehender Lieferant gerne die Hand aufhält (Speicherplatz Sprachaufzeichnungen, Telefonie-Anbindung, VPN…) frühzeitig zu berücksichtigen
  • Involvieren Sie Ihre Datenschutzabteilung frühzeitig und stellen Sie den Hersteller in Bezug auf Datenschutz auf den Prüfstand.
  • Planen Sie Fallback-Lösungen, sowohl im Vertragsmodell, z.B. mit einem zugesagten Übergangszeitraum von einer bestimmten Anzahl Quartalen, als auch technisch, mit einer Reserve-Lösung eines anderen Herstellers (Cloud/On-Premise) im Notbetrieb.

 

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Roland Ruf

… berät seine Kunden bei der Auswahl, der Beschaffung, der Implementierung und dem Betriebsmanagement von Contact Center-Lösungen sowie der Prozessberatung. Roland kennt die Versprechen der Technologie-Anbieter und prüft regelmäßig, ob sie diese halten können. Er kennt den Contact Center-Betrieb aus seiner lang-jährigen Projekt-Erfahrung. Seine persönliche Kompetenz liegt darin, Technologie und Bedürfnisse zusammen zu bringen, die richtige Technologie für aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu finden zu finden und zu implementieren. Zusammen mit seinem Team berät er Unternehmen strategisch und operativ bei der Steuerung von Contact Center-Einheiten und externen Dienstleistern, im Bereich Qualitäts- und Performancemanagement sowie der Personaleinsatzplanung.

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