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Julia Ullrich3 Minuten Lesezeit

Mitarbeiterzufriedenheit ist doch egal

Seit vier Jahren betreue ich nun die Trend-Studie Contact Center für VIER zusammen mit der RUF Beratung und Damovo, und jedes Mal wird es spannend, wenn wir intern die Ergebnisse erhalten.


Eine Frage stellen wir kontinuierlich immer als eine der ersten seit 2019: Was sind die internen Management-Prioritäten für die Kundenkommunikation in Ihren Contact Center-Einheiten. Es gibt fünf Antwortmöglichkeiten: Effizienzgewinn, Kontaktvermeidung, Mitarbeiterzufriedenheit, Umsatzsteigerung und Kundenzufriedenheit - wohl bemerkt, es sind Mehrfachnennungen möglich.


Jedes Jahr öffne ich voller Spannung die Ergebnisse in der Hoffnung, dass die Mitarbeiter:innen mehr in den Mittelpunkt gestellt werden. Insbesondere in diesem Jahr hatte ich in dieser Hinsicht große Erwartungen. Schließlich war das Thema Mitarbeiter-Recruiting omnipräsent und schien jeder Führungskraft schlaflose Nächte zu bereiten. Bei allen Branchentreffen wurde darüber diskutiert, wie man neues Personal finden und binden kann. Da muss doch das Thema Mitarbeiterzufriedenheit in den Fokus gerückt sein, vielleicht sogar auf Prio 1?


Doch weit gefehlt. Ich wurde wieder enttäuscht, denn die Mitarbeiterzufriedenheit ist seit vier Jahren auf der Prioritätenliste recht weit unten - und das blieb in diesem Jahr mit 48% genauso. Dabei stieg Effizienzgewinn auf 60% und Kontaktvermeidung auf 32%. Da frage ich mich, wie soll so dieses Problem „Personalmangel“ gelöst werden?
Ich kann es ehrlich gesagt nicht ganz nachvollziehen. Klar steht in einem Contact Center die Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt (87%), doch warum nimmt der Fokus auf die Mitarbeiterzufriedenheit einfach nicht zu? Sie wissen doch, keine zufriedenen Kund:innen ohne zufriedene Mitarbeiter:innen! Denn immer wieder wollen Menschen empathische Zuhörer:innen, insbesondere im Schadens- oder Beschwerdefall.


Natürlich könnten Bots & Co die Mitarbeiter:innen entlasten, doch, kleiner Spoiler, die technologischen Möglichkeiten werden in deutschen Contact Centern auch bei Weitem nicht ausgeschöpft. Zudem muss doch bei den Mitarbeiter:innen, die wir brauchen, deren Zufriedenheit in der Prioritätenliste weiter nach oben gesetzt werden- wird sie aber nicht. Das finde ich enttäuschend und es rückt die Diskussionen über den Mitarbeitermangel in ein neues Licht.


Im ersten Moment schien es mir fast verlogen, sich über Fachkräftemangel zu beschweren und gleichzeitig die Mitarbeiterzufriedenheit nicht auf der Prioritätenliste nach oben setzen. Doch wurde mir klar, zwar hat sich unsere Welt in den letzten Jahren radikal und schnell verändert, doch unser Denken und Handeln ist natürlich durch die Jahrzehnte davor geprägt und nicht jeder Mensch ist in der Lage so schnell umzuschalten, wie es unsere Umwelt manchmal erfordert. Scheinbar dauert das Umdenken länger als von mir erwartet. Ich bin der Meinung, dass die Contact Center, die nicht jetzt anfangen umzudenken und die Mitarbeiterzufriedenheit in den Fokus rücken, als Arbeitgeber zukünftig nicht mehr gefragt sind. Sie werden schwer rekrutieren können und unter Abwanderung leiden, was die Zahl der offenen Stellen noch größer werden lässt. Davon werden die Unternehmen profitieren, die Mitarbeiter:innen in den Fokus rücken, indem sie sich um ihre Mitarbeiter:innen kümmern, moderne Arbeitszeitmodelle und Entwicklungsmöglichkeiten bieten sowie attraktive Arbeitsplätze gestalten, immerhin wurde hierauf der Fokus erhöht ( von 11 auf 30 Prozent in den letzten beiden Jahren). Das ist eine erfreuliche Entwicklung.


Ach ja, im Bereich HR-Prozesse (Recruiting, Weiterbildung, Binding) sehen 22 Prozent Verbesserungspotenzial. Das ist ebenfalls eine immense Steigerung zu nur 6 Prozent vor zwei Jahren.
Doch Umdenken ist erforderlich. Sicherlich hilft die Kontaktvermeidung und Effizienzsteigerungen dabei, weniger Mitarbeiter:innen zu benötigen. Doch gerade diejenigen, die benötigt werden, können sich ihren Job aussuchen. Sie sind aufgrund der durch Automatisierung einfacher Tätigkeiten gestiegenen Kompetenzanforderungen und Ausbildungszeiten umso wertvoller. Also mein Plädoyer: Stellt die Mitarbeiterzufriedenheit mehr in den Fokus, sie muss auf der Prioritätenliste von Führungskräften weiter nach oben gesetzt werden.


Welche Faktoren die Mitarbeiterzufriedenheit in Ihrem Contact Center beeinflussen können und welche weiteren Trends im Contact Center Sie erwarten können.


Vielen Dank fürs Lesen! Ich hoffe, dieser Artikel hat Ihnen geholfen zu verstehen, in welchem Dilemma wir stecken. 

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Julia Ullrich

... ist selbstständige Marketing-Beraterin und Online-Moderatorin. Sie unterstützt ihre Kund:innen in den Bereichen Marketingplanung und -umsetzung sowie Content-Entwicklung als Interim Managerin oder auf Projektbasis.

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